Qi Gong verleiht Flügel: Bewegungstherapie in der Eilenriede
Hannoversche Allgemeine Zeitung 18.8.1998

Laaaangsam sind ihre Bewegungen - anmutig, harmonisch, sanft und gaaaanz langsam. Die kleine Gruppe hat sich eine Lichtung in der Eilenriede ausgesucht, es ist früher Abend, die Schüler stehen im Halbkreis hinter ihrer Lehrerin, sie folgen den leisen Anweisungen und der Übung, die sie vorgibt: Ein kleiner Schritt nach links, die Arme steigen seitlich hoch: Qi Gong verleiht Flügel. Dann verlagert sich das Körpergewicht, die Arme schwingen nach vorn, und schließlich holen sie etwas heran zum Körper: das "Qi", die Lebenskraft. Die kleine Gruppe in der Eilenriede befindet sich mitten in einer Qi-Gong-Stunde. Qi Gong (ausgesprochen "schi gung") -das ist eine uralte chinesische Bewegungstherapie, inzwischen eine auch hierzulande anerkannte Heilmethode, gleichermaßen Meditation, Atemtraining und Entspannungsübung.

Eine der Lehrerinnen, die in Hannover Qi-Gong-Kurse geben, ist die 40jährige Heilpraktikerin Marietta Eichler - eine Frau, die in ihrer Kindheit alles andere war als ein Bewegungstalent. Durch einen Fahrradunfall hatte sie Brüche im unteren Teil der Wirbelsäule erlitten, außerdem erkrankte sie später an Kinderlähmung. "Sportlehrer mit Trillerpfeife in kalten Turnhallen waren mir ein Gräuel", erzählt Marietta Eichler.

Erst als junge Frau freundete sie sich mehr mit ihrem Körper an, Yoga, Tanz und Theaterspiel halfen ihr dabei, bis sie vor zehn Jahren ihren Qi-Gong-Lehrer kennen lernte. Sie war sofort fasziniert von dieser besonderen Form von Bewegung, die mit der altdeutschen Trillerpfeifen-Gymnastik so wenig gemeinsam hat. "Ich kann heute, anders als früher, wieder mühelos wandern", schildert die Heilpraktikerin die Erfolge bei sich selbst. "In keiner anderen Bewegungsform wird die Beinkraft so gleichmäßig geschult und außerdem die Wirbelsäule so gut entlastet."

Als vor sieben Jahren ihr Lehrer starb, bat die Volkshochschule Marietta Eichler, doch selbst Kurse zu geben. Seitdem ist die Heilpraktikerin Qi Gong-Lehrerin. Sie unterrichtet vor allem eine besondere Form dieser Heilmethode, das Tai Chi - Qi Gong, das in vielen seiner Bewegungsabläufe an asiatische Kampfsportarten erinnert - wenn auch in Zeitlupentempo.

Glaubt man ihren Schülern, so gibt es kaum eine Krankheit und kaum ein Zipperlein, das nicht mit Qi Gong erfolgreich behandelt werden kann. Karin Peukert, 53jährige Sekretärin aus Laatzen, litt noch vor drei Jahren unter Arthrose im rechten Fuß. Die Krankenkasse habe ihr damals einen Qi-Gong-Kursus angeboten. "Mich hat das sehr interessiert, weil ich während eines China-Besuches gesehen habe, dass Tausende von Menschen dort jeden Morgen ihre Übungen machen." Sie entschloss sich zu Tai Chi Qi Gong, und ihre Arthrose ist nur noch Vergangenheit. Auch wenn die Kasse nicht mehr zahlt - Karin Peukert bleibt dabei.

Ähnliches berichtet der 55jährige Dieter Rose, der sich vor vier Jahren wegen hohen Blutdrucks und Herz-Kreislauf- Problemen zum Qi Gong entschloss. Er fühle sich heute deutlich wohler. "Man braucht zwar viel Geduld. Aber ich habe sofort gemerkt, wie gut das entspannt." Inzwischen übt er auch allein, so oft, erzählt er lachend, "dass ich schon als Waldgeist von Ricklingen bekannt bin". Hans Höser aus Badenstedt spielt zwar nicht den Waldgeist, aber dafür berichtet der 64jährige, dass die Schulmedizin bei seinen jahrelangen starken Schmerzen in der rechten Schulter nach erfolglosen Therapieversuchen aufgegeben hat. Jetzt, nach ein paar Jahren Ta Chi - Qi Gong, sind die Schmerzen weg. Höser hat auch gleich seine Frau Irmgard mitgebracht, die hatte zwar keine Schmerzen, aber Spaß an der Sache. Erfreulicher Nebeneffekt: "Ich bin heute viel beweglicher als früher."

Trotz mancher erstaunlicher Erfolge ist Qi Gong keine Wundermedizin. Marietta Eichler, die in ihren Kursen 90 Teilnehmer im Alter von zwölf bis 92 Jahren unterrichtet und inzwischen auch ein Buch zum Thema herausgebracht hat, warnt auch vor Risiken und Nebenwirkungen: Zum Beispiel bei akuten Gelenkentzün-dungen, fieberhaften Erkrankungen, chronischen Infektionserkrankungen oder akuten Krankheiten mit Schwindel, Übelkeit und Erbrechen, sei von Tai Chi - Qi Gong abzuraten.

Ansonsten aber, so die Heilpraktikerin, könne jeder die Übungen mitmachen. Wer mag, könne sich auch ein wenig mit fernöstlicher Philosophie beschäftigen, notwendig aber sei das nicht. "Notwenig ist nur ein schöner ruhiger Platz, ohne Handy, Fax und Fernseher, gerne auch draußen, möglichst bei Sonnenauf- oder -Untergang", meint die Lehrerin. Anfängern allerdings empfiehlt sie wegen der ungewohnten und ungewöhnlichen Bewegungen, einen Kursus zu besuchen.
Stefan Wittke

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